18.05.2017

Michael Ziesemer, Präsident des ZVEI

Präsident Ziesemer, von "100 Jahren Innovation für Menschen" spricht der ZVEI mit Blick auf seinen 100. Geburtstag am 5. März 2018. Warum?

In den vergangenen 100 Jahren hat sich das Leben der Menschen in nahezu allen Bereichen stark verändert und die Elektroindustrie hat dazu maßgeblich beigetragen. Ab den dreißiger Jahren des 20. Jahrhunderts setzen sich Kühl- und Gefriergeräte durch, ab den vierziger Jahren dann auch Waschmaschinen. Das Leben der Menschen ist dadurch enorm erleichtert worden.

Viele weitere Innovationen folgten, die wir heute nicht mehr missen möchten. Blicken wir retrospektiv auf die vergangenen 100 Jahre, können wir auch von einer Elektrifizierung der Welt sprechen. Strom ist unser wichtigster Energieträger und wird es auch bleiben – dank der erneuerbaren Energien sogar klimaneutral. Das ist eine Riesen-Innovation. Ohne solchen technischen Fortschritt ließen sich die weltweiten Klimaziele nicht umsetzen. Die Elektroindustrie leistet somit einen wichtigen Beitrag, eine der drängendsten Herausforderungen anzunehmen.

Technischer Fortschritt hat das Leben der Menschen unbestritten leichter und komfortabler gemacht. Aber es gibt natürlich auch Kehrseiten...

Es stimmt, technischer Fortschritt kann Nutzen stiften, aber auch Schaden anrichten, das hat die Geschichte leider oft genug gezeigt. Deshalb sieht der ZVEI in Technologien niemals einen Selbstzweck. Ihre Bedeutung ist entscheidend. Ob sie den Menschen mehr Sicherheit und Komfort bieten oder vielleicht sogar Leben retten wie die Technologien aus der Elektromedizin. Ohne sie ist eine moderne Gesundheitsversorgung nicht vorstellbar. Jetzt steht der nächste technologische Sprung an: die datenbasierte, personalisierte Gesundheitsversorgung. Auch hierin liegt eine Riesen-Innovation. Voraussetzung ist jedoch, dass wir hierzu gesellschaftliche und – im Gesundheitswesen – natürlich die individuelle Zustimmung des Patienten erhalten.

Digitalisierung und Vernetzung führen zum nächsten großen industriellen Entwicklungssprung. Was kommt auf uns zu?

Tatsächlich befinden wir uns inmitten eines gewaltigen Veränderungsprozesses, der sich in hohem Tempo vollzieht. Ich bin sicher, dass die Digitalisierung – wie wir sie heute erleben – im Geschichtsunterricht in 50 oder 100 Jahren denselben Stellenwert einnehmen wird, wie die erste industrielle Revolution in Deutschland im 19. Jahrhundert. Sie stellt eine Zäsur dar, nicht nur auf industrieller Ebene. Denn sie durchdringt unser Leben gesamthaft. Deshalb ist es wichtig, dass wir eine breite gesellschaftliche Diskussion über das ‚Leben in der digitalen Welt‘ entfachen. Wie gesagt: Technologien brauchen Zustimmung, verdienen Vertrauen und keine Verordnung von oben.

Auf welche Innovation möchten Sie persönlich nicht verzichten, hat Ihr Leben am meisten beeinflusst?

Mit Radio, Fernseher und Telefon bin ich aufgewachsen und komme auch heute nicht ohne sie aus. Das Smartphone ist nicht nur fürs Telefonieren und die E-Mail-Korrespondenz unverzichtbar, sondern stellt auch das gesamte Internetwissen bereit. Aber ich denke auch an die deutsche Industrie: Sie rüstet die Fabriken und Anlagen der Welt aus. Nichts hat mehr Arbeitsplätze hierzulande geschaffen. Wo wären wir ohne Steuerungen, Sensoren und Messgeräte, Antriebstechnik, Schaltgeräte und Übertragungstechnik der deutschen Elektroindustrie?

 

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