Interviewreihe 100 Jahre ZVEI
28.09.2017
Persönlich habe ich immer an die Energiewende geglaubt und mich bei Schneider Electric für ihre Ziele eingesetzt. Aber zum jetzigen Zeitpunkt muss ich sagen: Deutschland ist noch nicht da, wo es eigentlich sein will. Bis 2050 sollen die Treibhausgasemissionen um 80 bis 95 Prozent im Vergleich zu 1990 und der Primärenergieverbrauch um 50 Prozent gegenüber 2008 zurückgehen. Gleichzeitig soll der Anteil erneuerbarer Energien am Stromverbrauch auf mindestens 80 Prozent steigen. Diese Energiewende-Ziele werden wir jedoch nur erreichen, wenn wir zügig Themen wie den Ausbau des Stromnetzes, die Speicherung überschüssiger erneuerbarer Energien und die Digitalisierung der Verteilnetze vorantreiben. Zudem müssen wir das Zusammenspiel von Strom, Gas und Wärme einheitlich betrachten.
Die Energiewende war ein starker Innovationsmotor in den vergangenen Jahren. Die Innovationskraft der Energiewende zeigt sich seit Jahren in einem deutlichen Anstieg der Patentanmeldungen. Im Bereich der erneuerbaren Energien zum Beispiel hat sich ihre Zahl innerhalb von zehn Jahren mehr als verdreifacht, aber auch im Bereich der Energieeffizienz, beim Demand Side Management oder in der Elektromobilität hat sich sehr viel getan. Wenn es jetzt noch gelingt, die Energiewende auf eine wirtschaftlich tragfähige Grundlage zu stellen, kann ich mir gut vorstellen, dass es einen weiteren Innovationsschub geben wird.
Europäisch und weltweit betrachtet, ist die Energieeffizienz in Deutschland schon hoch und diesen Vorsprung wollen wir behalten und ausbauen.
Die größten Potenziale können bei Effizienzmaßnahmen im Gebäudebereich gehoben werden. Zwischen 30 und 40 Prozent des gesamten Energieverbrauchs entfallen auf Wärme, das heißt Heizung und warmes Wasser. Im zukünftigen Zusammenwirken von Strom- und Wärmemarkt liegt ein Schlüssel für die Gestaltung einer erfolgreichen Energiewende. Die erforderlichen Technologien, Produkte und Lösungen zum Erreichen der Ziele im Gebäudesektor gibt es schon heute, viele sind sogar wirtschaftlich umsetzbar. Damit diese Technologien stärker zum Einsatz kommen, muss man bei den Investitionen von Lifecycle-Analysen ausgehen. Dabei zeigt sich, dass gerade Investitionen mit längeren Amortisationszeiten die höheren absoluten Energieeinsparungen ermöglichen. Hierfür brauchen wir auch neue Finanzierungsmodelle.
Die Digitalisierung ist ohne Zweifel der größte Umbruch und hat nicht nur die Technologien revolutioniert, sondern unser Verhalten und Leben grundsätzlich verändert. Wenn ich wählen könnte, würde ich auf diese Entwicklung nicht verzichten. Gleichzeitig ist mir bewusst, dass die Veränderungen so markant sind, dass sich die ganze Gesellschaft auf die neuen Herausforderungen einstellen muss.
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